Gästehaus Boselspitze  
Thomas Dembowski

Geschichte

18. Jahrhundert

Das heutige "Gästehaus Boselspitze" hat seinen Ursprung in zwei Weinbergsgrundstücken des frühen 18. Jahrhunderts. Ihre Besitzer, wohlhabende Bürger aus Meißen, ließen darauf Winzerhäuser bauen. Die damaligen Ortsbezeichnungen waren "An der Gabel" für das Grundstück auf dem heute der Aussichtsturm steht und "Elb-Weinberg" für das Grundstück mit dem etwas höher liegenden Haus und dem Weinberg zur Elbseite des Spaargebirges.    

"An der Gabel" 

1703 

Der Meißner Bürgermeister Gerlach  besaß im Spaargebirge mehrere Weinbauflächen. 1703 kaufte er an der Gabel ein kleines Stück "Rauen" Berg und erhielt das Recht darauf ein Berghaus aus Stein, zwanzig Ellen lang und vierzehn Ellen breit, zu erbauen. "... ,dergestalt, dass er das vorhabende Berghaus darauf bauen, aus dem daran anstoßenden Berge die benötigten Steine wie auch darunter seines Gefallens Keller oder Gewölbe ausbrechen , auch den Schutt samt denen Steinen auf solchem Berg und zu dem daselbst befindlichen Steinhause schütten möge." (Gerichtsbuch Sörnewitz) Gerlach ließ ein zweigeschossiges Wohnhaus auf dem Grundstück bauen und legte damit den Grundstein für alle späteren Häuser und Anbauten bis hin zum Aussichtsturm. Gerlach starb wenige Jahre später und es bleibt unklar für welchen Zweck seine Kinder und Enkel das Haus in den nächsten Jahren nutzten.

1761

Der Meißner Gürtlermeister Lehmann kaufte während des 7-Jährigen Krieges das Haus und den angrenzenden Weinberg, für 800 Taler,  von den Erben Gerlachs. Lehmann war in Meißen ein angesehener Bürger. 1751 hatte er als zweiter Handwerker in Sachsen die Erlaubnis zum Betrieb einer eisernen Drück-Maschine fürs Knopfmachen erhalten. Die Maschine stand in seinem Haus in der Meißner Schnurengasse am Frauenmarkt. In der Werkstatt hatte er einen Raum eingerichtet, in der sie abgeschlossen, verwahrt und streng von Beamten kontrolliert wurde. So wollte man verhindern, dass mit der Maschine unerlaubt Münzen hergestellt werden. Der Gürtlermeister verkaufte das Weinbergshaus im Spaargebirge drei Jahre nach Kriegsende an den wohl geheimnisvollsten Eigentümer in der Geschichte des Gästehauses Boselspitze.  

1766 

Major Johann Heinrich von Seydewitz, kaufte im Oktober 1766 das Wohnhaus und den Weinberg auf der Bosel.  Der damals vierunddreißigjährige Major war der älteste Sohn des verstorbenen Lieutenants Curt Friedrich von Seydewitz auf Pülswerda. Er gehörte unter dem Namen "Henricus Eques a Lauro" zu den inneren Ordensbrüdern der freimaurerischen Tempelritter und war Mitglied der Dresdner Loge „Zu den drei Palmen“.  Im Siebenjährigen Krieg hatte von Seydewitz, eine Kompanie der königlichen Leibgrenadier Garde kommandiert. Auf Grund einer unheilbaren Krankheit bat er nach der Kapitulation Sachsens um eine Zivile Stelle. Im November 1764 erhielt er das Kommando über das Wachregiment der Kurfürstlichen Porzellanmanufaktur auf dem Meißner Schlossberg. Nachdem Major von Seydewitz 1766 das Haus und den Weinberg auf der Bosel gekauft hatte, erwarb er 1770 auch in Meißen ein Wohnhaus,  im sogenannten Winkel unterhalb des Schlosses. Heute ist das Haus als Gaststätte "Winkelkrug" bekannt. Als das Wachregiment der Porzellanmanufaktur 1772 aufgelöst und Seydewitz pensioniert wurde, verkaufte er das kleine Haus im Winkel und erwarb stattdessen das große Stadthaus auf dem Meißner Markt neben der Apotheke, dass er vermietete aber schon 1777 wieder vekaufte. Er behielt nur das Wohnhaus und den Weinberg auf der Bosel. Johann Heinrich von Seydewitz starb im Oktober 1783, im Alter von 50 Jahren. Vier Jahre vor seinem Tod hatte er das Rittergut Roda übernommen und lebte zurückgezogen in dem dortigen Herrenhaus. Den Weinberg mit Wohnhaus auf der Bosel verkaufte er mit allen Möbeln und Inventar an den Gastwirt von "Drei Rosen". 

1779

Johann George Rollbusch, der Eigentümer des Gasthofes „Drei Rosen“ in Vorbrücke schloss im November 1779 mit Major von Seydewitz einen Kaufvertrag ab. Für 1600 Taler erwarb er das Grundstück mit Weinberg, das Weinpressgerät und das Wohnhaus, mit allem Inventar, insbesondere den Möbeln in der ersten Etage. Rollbusch hatte mit seinem Gasthaus in Vorbrücke, direkt vorm Tor der Meißner Elbbrücke keinen leichten Stand. Häufig geriet er in Streitigkeiten mit Meißen, vor allem darüber welches Bier und wieviel er ausschenken durfte. Auch den Elb-Weinberg besaß zu dieser Zeit seit vielen Jahren ein Gastwirt. Beide Eigentümer verkauften den auf der Bosel hergestellten Wein aber in ihren Gasthäusern in Meißen und Vorbrücke.  

1786      

Baronin Maria Sophia Eleonora von Landsberg kaufte mit ihrem Mann Johann Andreas Joseph Freiherr von Landsberg das Wohnhaus am 25. Januar 1786 von Gastwirt Rollbusch. Ebenso wie von Seydewitz war Baron von Landsberg pensionierter Leutnant der sächsischen Leib–Grenadier Garde und Freimaurer. Nachdem er seine Frau, die älteste Tochter des Meißner Porzellanmalers Lindner, geheiratet hatte kauften die von Landsbergs 1783 zunächst ein großes Stadthaus auf dem Meißner Markt neben der Frauenkirche. Das Wohnhaus im Weinberg auf der Bosel war  vierzig Jahre eigentum der Barone von Landsberg, bis es der Sohn  Carl Andreas Adolph Freiherr von Landsberg, Königlich Sächsischer Major von der Armee und Ritter des St.-Heinrichs-Ordens, der in Dresden lebte, 1826 an den Sörnewitzer Häusler Johann Gottlob Lehmann verkaufte. Zuletzt hatten die von Landsbergs es an August Dabritius einen preußischen Leutnant der Kavallerie vermietet, der auf dem Grundstück auf der Bosel wohnte.   

"Elb-Weinberg"

1733

Lohgerber Peter Görne besaß seit 1733 das elbseitige Grundstück auf der der Bosel das 200 Jahre später als „Vetters Weinschank" bekannt wurde. Der Weinbau war für ihn Nebenerwerb. Als Lohgerber stellte er strapazierfähige, Leder, beipielsweise für Schuhsolen oder Sättel her. Als Görne den Weinberg kaufte, war er noch unbebaut. 1762 verkaufte er das Land samt dem dazugehörigen Winzerhaus an seine Schwiegersöhne Johann Adolph Mey und Gottfried Lorenz Lehmann. Diese arbeiteten als Maler bei der „königlichen Porcellaine Manufactur zu Meißen“. Sie behielten das Grundstück nur kurze Zeit und verkauften es nach dem Siebenjährigen Krieg im April 1764 für 525 Taler an Gastwirt Johann Heydenreuther. 

1764

Johann Heydenreuter war Eigentümer des Meißner Gasthauses „Zum goldnen Ringe“, das er in Kriegszeiten 1761 gekauft hatte. Dieses Gasthaus auf dem Jahrmarkt vorm Gewandhaus, wird heute noch unter dem selben Namen und am gleichen Ort, vorm Meißner Theater, geführt. Als Heydenreuter 1783 starb war er ein vermögender Mann. Er verfügte über Schuldscheine im Wert von mehr als 7000 Talern. Im Keller des Meißner Rathauses und in Brenigs Haus lagerten zahlreiche seiner Weinfässer. Ihm gehörten neben dem Weinberg auf der Bosel mehrere Felder im Meißner Mühlengrund. Den "Goldenen Ring" hatte er verpachtet und das Winzerhaus im Elb-Weinberg zum Herrenhaus mit Winzerhaus und Weinpresse ausgebaut. Seine Tochter Johanne Charlotte, geschiedene Hauptmann von Kotzsch, verkaufte als Erbin zwar den "Goldenen Ring" in Meißen, behielt aber das Wohnhaus im Elbweinberg noch viele Jahre. Erst 1820 verkaufte sie das Grundstück auf der Bosel zum gleichen Preis, für den es ihr Vater einst gekauft hatte. Für 525 Taler erhielt es Johann Gottfried Müller, ein ehemaliger Windmühlenbesitzer aus Proschwitz.

19.Jahrhundert

Im 19.Jahrhundert entstanden durch Anbauten an die Weinbergshäuser zwei Gasthäuser mit eigenem Schankrecht. Unter dem Namen "Deutsche Posel" für Grundstück "an der Gabel" und "Vetters Weinschank" für das im "Elb-Weinberg" sind sie heute noch manchen älteren Einwohnern bekannt.   

 

"Vetters Weinschank"

 

1876

Ernst Wilhelm Vetter kaufte das Grundstück im "Elb-Weinberg" 1876. Seine Familie begann eine Gastwirtschaft zu betreiben, welche er zunächst "Deutsche Posel" nannte und die später als „Vetters Weinschank“ bekannt wurde. Zunächst baute Vetter einen Weinkeller am bestehenden Wohnhaus an und vergrößerte darüber die Scheune. Der alte Pressraum wurde zum Kuhstall. Bis 1795 folgten weitere Anbauten die mit einem großen Wohn- und Gaststubenbereich das heutige Bild des Gasthauses prägen. Vetters verfügten nun über zwei Gasträume und drei Weinkeller. Ein großer Kuhstall und die Scheune waren im hinteren Quergebäude untergebracht. Die Gäste bewirtete man mit selbst produziertem Wein, Brot und Käse. Ebenso wie beim Nachbarn herrschte bei Vetters reger Publikumsverkehr. Manche Besucher fuhren mit dem Schiff von Dresden nach Sörnewitz und wanderten dann die Bosel hinauf. 1898 verkaufte Wilhelm Vetter das Grundstück an seinen Sohn Gustav Adolf Vetter. Dieser führte die Gaststätte gemeinsam mit seiner Frau Hilma Frieda Vetter, bis er 1957 starb. 

Die Deutsche Posel

1872 

Friedrich August Schlechte kaufte 1872 das Grundstück "An der Gabel", auf dem er später den Aussichtsturm erbauen lies. Zunächst stellte er 1874 den Antrag zum Wiederaufbau von Wohnhaus, Stall und Scheune nach einem Brand. Daran baute er eine Terrasse mit Blick nach Zaschendorf. Die Erweiterung zur Gaststätte mit dem Namen Deutsche Posel begann er 1888. Er ließ einen Gesellschaftssaal und darunter einen großen Weinkeller mit Rundgewölbedecke errichten. Heute dient der Keller als Gastraum. Im Februar 1898 beantragte Schlechte den Bau des Aussichtsturms. Architekt und Baumeister war Max Heinrich aus Dresden-Löbtau. Bereits im Dezember 1898 erfolgt die Fertigstellung und Genehmigung. Danach verkaufte Schlechte das Grundstück an den Meißner Fleischermeister Hermann Maximiliean Friedrich und zog nach Zaschendorf. Doch der Fleischermeister hatte kein Glück. Das Wohnhaus und der Gesellschaftssaal fielen einem Brand zum Opfer und Maximilian Friedrich musste Konkurs anmelden. 1903 wurde die Zwangsverwaltung über das Grundstück angeordnet, das zunächst wieder an Friedrich August Schlechte fiel. Dieser nahm den Wiederaufbau und Genehmigung eines neuen Gesellschaftssaales entlang des Boselweges in Angriff. Der heutige Gesellschaftssaal entlang des Boselweges entstand. Auch den darauf folgenden Eigentümern gelang es zunächst nicht, das Gasthaus erfolgreich zu betreiben. 1904 kaufte der Gastwirt Friedrich Oswald Tillig das Objekt und bereits ein Jahr später wurde die Zwangsversteigerung angeordnet. Den Zuschlag erhielt der Gastwirt Friedrich Hermann Seiler, der kurz darauf verschuldet verstarb. Daraufhin erwarb Gastwirt Ernst Clement Berndt das Grundstück und 1907 Amalie Henriette Müller, die das Objekt verpachtete. 

1915

Familie Poppke gelang es schließlich das Haus als florierendes Ausflugslokal mit Tanzveranstaltungen zu etablieren. 1915 kauften die Brüder Erich Robert Hermann Poppke und Konrad Otto Alfred Poppke das Objekt als Gesellschafter und erhielten zunächst die Schankkonzession für geschlossene Gesellschaften. Die Bosel zog zwar bei schönem Wetter viele Gäste an, allerdings war der Erwerb stark von den Witterungseinflüssen abhängig. Nach der Schließung einiger Säle in der Umgebung beantragten Poppkes deshalb 1924 die Konzession für öffentliche Tanzveranstaltungen und bald war Poppkes Ausflugslokal mit Saal und Tanzveranstaltungen bis nach Dresden bekannt. Nach dem Tod der Gebrüder Poppke verkaufte Erich Poppkes Tochter Ida Schumacher die „Deutsche Bosel“ im Jahr 1943 an Maria Kindermann aus Meißen. Diese plante den Ausbau und die Erweiterung des Objektes um 200 Sitzplätze und reichte umfangreiche Bauanträge ein. Tatsächlich kam es jedoch nur zum Ausbau einer Toilettenanlagen und eines kleinen Vorbaus am Saal. Gefangene wurden auf dem Grundstück untergebracht und nach dem Krieg Flüchtlinge. 1949 verkaufte Maria Kindermann das Grundstück und es wurde an Jutta Weber verpachtet, die eine Windhundezucht betrieb. Auch die LPG nutzte das Grundstück, welches zunehmend verkam, zur Schaf und Hühnerhaltung.

Kinderferienlager

1963 übernahm das Volkseigene Braunkohlekombinat Lauchhammer beide Grundstücke und baute sie zum Kinderferienlager um. Vetters Kuhstall und die Scheune wurden aufgestockt und das gesamte Gebäude wurde zum Bettenhaus umfunktioniert.  Auf dem Grundstück mit Aussichtsturm lies Lauchhammer den Saal vergrößern und 10 Bungalows für zusätzliche Betten bauen. Durchgänge mit bis zu 300 Kindern verbrachten in der Einrichtung ihre Ferien. 

Gästehaus Boselspitze 

1989 standen die Häuser leer und verfielen. Erst 10 Jahre später wurden sie von einem Treuhandunternehmen in  Privatbesitz verkauft. Durch schrittweise Sanierung und Modernisierungen entstand das heutige "Gästehaus Boselspitze".   


Autor:  Karen Dembowski

Quellen: SLUB Sachsen / Archiv Stadt Meißen

Bilder: Familie Poppke/Schuhmann 1912-1938 / Bildrechte Karen Dembowski